Auch Grüne für mehr Videoüberwachung

„Sicherheit in einem starken Rechtsstaat“ haben die Grünen ihr Positionspapier zur Innenpolitik überschrieben. Darin zeigt sich die Fraktion bereit, Änderungen an ihrem bisherigen Kurs vorzunehmen.

Über mehr Personal für die Sicherheitsbehörden nachzudenken, über die  Ausweitung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum und den härteren Umgang mit sogenannten Gefährdern, gehört nicht eben zu den ureigensten Arbeitsfeldern der Grünen in Bremen.

Doch angesichts der geänderten Sicherheitslage sei man nun gefordert gewesen, „unsere eigenen Positionen zu hinterfragen“, erklärt der innenpolitische Fraktionssprecher, Björn Fecker. Ergebnis dieser sicherheitspolitischen Neujustierung ist ein zwölfseitiges Papier, überschrieben mit „Sicherheit in einem starken Rechtsstaat“. Dem Ruf nach immer neuen, schärferen Gesetzen erteilt die Fraktion der Grünen darin eine deutliche Absage.

Deutschland verfüge über starke Gesetze zur Gefahrenabwehr, sie müssten nur entschlossener und konsequenter angewendet werden. „Wir haben ein Umsetzungsdefizit bei der Anwendung geltenden Rechts“, so Fecker am Dienstag bei der Vorstellung des Positionspapiers. „Und es gibt eklatante Probleme bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden.“

Die „gute Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“ bleibe oberstes Ziel, betonte Fecker. Auf die Gefährdung der inneren Sicherheit mit immer weitergehenden Einschränkungen von Freiheits- und Bürgerrechten zu reagieren, sei ein gefährlicher Irrweg. Doch auch die Grünen seien bereit, an bestimmten sicherheitspolitischen Stellschrauben zu drehen. Nachfolgend einige der Positionen aus dem Sicherheitspapier.

Videoüberwachung

Zusätzlich zu der Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten wie Bahnhof oder Discomeile können sich die Grünen weitere Kameras zur Aufklärung möglicher terroristischer Anschläge vorstellen. Installiert werden sollten sie an „weichen Zielen“, das heißt in erster Linie an Orten, an denen sich viele Menschen aufhalten, wie etwa der Marktplatz oder die Domsheide. Denkbar sei zudem der temporäre Einsatz von Videoüberwachung bei Großveranstaltungen wie zum Beispiel dem Freimarkt. Verbunden wissen wollen die Grünen dies allerdings mit einer ständigen Sichtung der Aufnahmen. „Es kann nicht darum gehen, nur Berge von Videomaterial zu sammeln“, erklärt Fecker.

Personalerhöhung

Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte unlängst eine Aufstockung der Polizei über die derzeitige Zielzahl von 2600 Stellen hinaus gefordert, die SPD zudem konkrete Zahlen für mehr Personal in der Justiz und beim Verfassungsschutz genannt. Auch die Grünen sind laut Fecker „bereit, in diesem Bereich personell nachzusteuern“. Allerdings nicht in Form pauschaler Erhöhungen, sondern stets nur mit dem Nachweis der Notwendigkeit dieser Stellen. Eine neue Zielzahl für die Polizei geben die Grünen nicht an, ihr Ansatzpunkt lautet, die Polizei von Aufgaben wie Objektschutz oder die Begleitung von Schwertransporten zu entlasten. Für weitere Entlastung könnten „längst überfällige Änderungen“ im Bundesrecht sorgen, etwa die Entkriminalisierung von Schwarzfahren oder Drogen wie Cannabis.

Gefährder

Ausreisepflichtige Personen, von denen eine terroristische Gefahr ausgeht, müssen in Abschiebehaft genommen werden, sagen die Grünen. In bestimmten Fällen auch länger als die drei Monate, die derzeit maximal für Abschiebehaft vorgesehen sind. Eine generelle Inhaftierungsmöglichkeit für bloße Gefährder auch deutscher Staatsangehörigkeit lehnen die Grünen dagegen weiterhin entschieden ab. Wünschenswert sei zudem bundes- oder besser noch EU-weit eine klare und vor allem einheitliche Definition des Begriffs „Gefährder“.

Elektronische Fußfessel

Für die Grünen ein „ausgesprochen schwaches Instrument der Terrorbekämpfung“. Fußfesseln könnten Anschläge nicht verhindern und seien insbesondere für Großstädte, in denen zahllose mögliche Anschlagsziele dicht beieinander lägen, absolut ungeeignet. Zielführender sei es, Gefährder intensiver zu überwachen.

Telekommunikationsüberwachung

Das Bremische Polizeigesetz erlaubt bisher keinen Rückgriff auf Telekommunikationsdaten zur Gefahrenabwehr. Die Grünen können sich vorstellen, hier neue Rechtsgrundlagen zu schaffen, „soweit dies zur Abwehr gegenwärtiger erheblicher Gefahren unerlässlich ist“. Neue Befugnisse müssten jedoch den Kriterien Wirksamkeit, Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit genügen. Eine Massenüberwachung lehnen die Grünen ab.

Prävention

Aus Sicht der Grünen ist Prävention der zentrale Ansatzpunkt in der künftigen Sicherheitsstruktur Bremens. Das 2015 erstellte Landespräventionskonzept gegen religiös begründeten Extremismus müsse nachhaltig umgesetzt werden. Auch personell: „Wir fordern die unverzügliche Aufstockung des Beratungsnetzwerkes kitap um mindestens vier Stellen.“

Kindergärten und Schulen

Prävention sollte aus Sicht der Grünen bereits in den Kindergärten beginnen. Das Personal in Kitas müsse daher besser für das Thema islamistischer Terror sensibilisiert werden. „Auch Kleinkinder können Indikator sein, wenn etwas in Familie oder Umfeld auf eine Radikalisierung hindeutet.“ Intensiv zum Umgang mit Radikalisierungstendenzen geschult werden sollte zudem das Lehrpersonal an den Schulen. „Soweit die gesetzliche Meldepflicht für die Schulleitungen in Richtung Polizei die Präventionsarbeit in den Schulenunterstützen kann, werden wir dies unterstützen.“

Autor: Ralf Michel

Der Link zum Medienbericht des Weser-Kuriers

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